Restauration des Höhlenbärenskelettes in der Heinrichshöhle
 
 

Inhalt


1. Allgemeines zur Restaurierung


2. Chronologischer Ablauf


 



 

Allgemeines zur Restaurierung


Höhlenbär

Das Höhlenbärenskelett in der Heinrichshöhle wurde von Januar bis März 2002 restauriert
und befand sich dazu im Westfälischen Museum für Naturkunde in Münster.


Für die Instandsetzung des Skelettes sei hier der



NRW-Stiftung      Nordrhein-Westfalen-Stiftung    

für die finanzielle Unterstützung ganz herzlich gedankt,
durch die wir dieses Vorhaben erst in die Tat umsetzen konnten.

 



 

Schritt 1: Abbau und Transport des Skelettes nach Münster


Nach 97 Jahren zum ersten Mal ans Tageslicht

Artikel und Fotos von Ralf Engel (Iserlohner Kreisanzeiger 18.1.2002)

Hemer. Erstmals in nahezu 100 Jahren hat Hemers Höhlenbär das Tageslicht erblickt, allerdings musste er zuvor Rippen, Schenkel und einige Knochen mehr abgeben. Aufwendig wird der Bär in den nächsten Monaten restauriert. Immerhin hat er 20000 Jahre auf den Knochen.


Als die Familie Meise zu Beginn des vorigen Jahrhunderts mit dem Ausräumen der Heinrichshöhle begann, stieß sie auf zahlreiche Knochen. Mit dem Bodenaushub wurden mehrere hundert Knochenteile ans Tageslicht befördert. Schnell ward daraus die Idee geboren, ein Skelett als Touristenattraktion zusammenzubauen.

So schrieb Karl Meise an seinen Bruder Heinrich: "Ich halte das für nicht so schwierig, als das man das nicht selbst machen könnte." Die Ablichtung eines Höhlenbären aus der Zeitschrift "Weltall und Menschheit" fügte er bei. Verschiedensten Museen wurden außerdem Knochen angeboten. So gibt es im Stadtarchiv eine umfangreiche Korrespondenz sogar nach Belgien und England. Das British-Museum in London antwortete, das man bereits Knochen aus Sundwig habe. Auch das königlich mineralogisch-geologische Museum Dresden konnte bereits 1850 auf ein Bärenskelett aus Hemer zurückgreifen. Es hatte die Knochen von "Sammel-Sack" erworben. Mit der königlich geologischen Landesanstalt und Bergakademie in Berlin wurde man sich schließlich einig.



Der Sundwiger "Kuhhandel": Es werden zwei Skelette gebaut und eines verbleibt in Berlin. Kistenweise wurden die Knochen nach Berlin geschickt. Immer wieder kam von dort der Appell, möglichst alle Funde zu schicken, damit der Bär originalgetreu werde. Am 8. Juni 1905 kam das 2,20 Meter lange und 1,10 Meter hohe Bärenskelett in Sundwig im Saale Meise an und begeisterte die Besucher. Trotz der Warnungen der Bergakadamie, ihn wegen des frischen Leims nicht in der Höhle aufzustellen, kam er später in die Unterwelt, wo fortan der Zahn der Zeit kräftig nagte.


Sorgenvoll blickte Höhle und Karst in den vergangenen Jahren auf das Skelett. "Irgendwann lösen sich die Rippen und der Kopf fällt runter", befürchtete Michael Landwehr. In der Nordrhein-Westfalen-Stiftung für Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege fand sich schließlich ein Sponsor für die mehrere tausend Mark teure Restaurierung. Gestern rückten die Fachleute vom Westfälischen Museum für Naturkunde an, um den Bären zu zerlegen und nach Münster zu transportieren. Für Restaurator Michael Böckmann hatte Hemers rund 20000 Jahre alter Bär bereits ein kritisches Stadium erreicht. Die Verbindungsdrähte waren verrostet, manche Zehen zerfallen. Offenbar hatten vor 100 Jahren die Knochen nicht ganz gereicht. Manches fehlende Stück wurde durch Gips ersetzt, der nun durch die Feuchtigkeit zerfällt. "Ich kenne kein Skelett, das wirklich komplett ist", so der Präparator. Kunstharz wird heutzutage für Ersatzabdrücke genommen.

Ohne Nummerierung der Einzelstücke wanderten die Knochen gestern in die Kisten. Mit dem Zusammenpuzzlen von rund 300 Teilen haben die Fachleute keine Probleme. Nur Wirbelsäule und Schädel blieben am Stück. Erste Aufgabe in Münster wird es sein, die Knochen von der damals benutzten Mixtur aus Honig, Knochenleim und Lack zu befreien. Dann werde sich zeigen, was wirklich original sei, so Michael Ludorf: "Überraschungen kommen, wenn man mit der Arbeit beginnt." Wenn der Höhlenbär in zwei bis drei Monaten wieder die Rückreise nach Hemer antritt, dann wird er in jedem Fall eine neue anatomisch korrekte Körperhaltung haben. Das bisherige Ausstellungsstück deutete eher auf einen Bandscheibenvorfall hin. Bis zur feierlichen Rückkehr sucht Höhle und Karst noch Sponsoren für ein neues Bärenhaus: Eine neue Glasvitrine möglichst mit Entfeuchter muss her, damit der Bär weitere 100 Jahre übersteht.
 



 

2. Arbeitsschritt bei der Restaurierung:
Reinigung und Begutachtung der Knochen


Hier klicken für eine 800x600-Vergrößerung Während der ersten zwei bis drei Wochen der Restaurierung werden die einzelnen Knochen des Skeletts vollständig gereinigt. Im Laufe der Zeit hat sich Schmutz auf den Knochen abgelagert und auch der Knochenleim, der bei der Erstellung des Skeletts 1905 aufgetragen wurde, muß mit einem Skalpell vorsichtig abgelöst werden. Bei der Menge an Knochen ist dieser Arbeitsschritt sehr langwierig und man braucht viel Geduld und eine ruhige Hand...

Erst nachdem dieser Arbeitsgang abgeschlossen ist, kann man erkennen, in welchem Zustand das Knochenmaterial ist und - vor allen Dingen - ob es sich überhaupt um echte Knochen handelt! Bereits beim Auseinanderbauen des Skeletts in der Heinrichshöhle am 17. Januar fiel den Tierpräparatoren auf, dass es sich bei manchen Knochen tatsächlich um Gipsabgüsse handelt, die sich - bedeckt von einer dicken Schicht Knochenleim - über die vielen Jahrzehnte im feuchten Höhlenklima erstaunlich gut erhalten haben.

Trotzdem lassen sich die alten Gipsabgüsse nicht wieder verwenden. Sie werden später durch Abgüsse aus Kunstharz ersetzt, die sich im Farbton den Originalknochen angleichen lassen.
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3. Arbeitsschritt bei der Restaurierung:
Konservierung der Knochen und Erstellung von Abgüssen aus Kunstharz


Bild 1
Hier klicken für eine 800x539-Vergrößerung Inzwischen sind über vier Wochen vergangen, seit das Höhlenbärenskelett abgeholt wurde. Die Knochen sind fast alle gereinigt und begutachtet worden (Bild 1). Zur Freude der Präparatoren bestehen rund 95% des Skeletts aus Originalknochen und nur die Schulterblätter, Finger- und Fußknochen und einige Dornfortsätze der Wirbelknochen aus Gips. Also: Zeit für den nächsten Arbeitsschritt!

Zunächst werden nun alle Knochen mit einer speziellen Lösung aus Kunstharz und Alkohol getränkt. Dazu muß erst einmal der pulverförmige Kunstharz in Alkohol gelöst werden, und zwar nur eine kleine Menge, damit die Lösung nicht zu dickflüssig wird. Nur so ist gewährleistet, dass der Kunstharz weit in das Knochenmaterial einziehen kann. Beim anschließenden Trocknen verfliegt der Alkohol und der Kunststoff wird hart und glasklar, füllt die feinen Poren, Spalten und Risse in den Knochen und überzieht deren Oberfläche mit einem dünnen Film. Die fertig behandelten Knochen sind an einem leichten Glanz erkennbar (Bilder 2 und 4. Bild 2 zeigt einen Teil der Wirbelsäule; Bild 4 den l. Halswirbel). Der Kunstharz macht die Knochen wasserabweisend und -vor allen Dingen- bruchfest und sehr widerstandsfähig. Bild 2
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Bild 3
Hier klicken für eine 800x598-Vergrößerung Nach Abschluss dieser Arbeit wird geschaut, welche Knochen oder Knochenteile aus Gips bestehen und durch Kunstharz ersetzt werden müssen. Von diesen Gipsteilen werden dann entweder Abdrücke aus Ton angefertigt (Bild 5: ein Schulterblatt), oder sie werden mit einem dehnungsfähigen Silikonkautschuk eingehüllt (Bild 3 zeigt in der Mitte diese bräunliche Gummiform, die durch die weißen Gipshälften gestützt wird, wenn der flüssige Harz eingefüllt wird. Das grünliche Teil links ist bereits der fertige Abdruck aus Kunstharz). In beiden Fällen erhält man eine Hohlform (Negativform), die genau der Form des Knochens entspricht. Diese Form kann dann mit Epoxidharz ausgegossen werden und nach dem Aushärten des Harzes und dem Entfernen der Form hat man einen exakten Abdruck des Originalteils aus Gips.

Im Falle der Schulterblätter ist damit die Arbeit bis auf das Nachschleifen und Einfärben mittels Airbrush-Technik fertig. Wenn jedoch Knochenteile abgegossen wurden, müssen diese nun noch an den Originalknochen "drangebastelt" werden (Bild 4: Man sieht den 1. Halswirbel und den Abguss aus Kunststoff, der so hingelegt wurde, wie er auch später angeklebt werden muß). Dabei helfen Feile, Schleifpapier und - natürlich mal wieder - Kunstharz, mit dem der Abguss angeklebt werden kann und mit dem sich auch alle verbleibenden Ritzen, Löcher und Spalten auffüllen lassen, so dass ein glatter Übergang entsteht. Auch hier ist der letzte Arbeitsschritt die farbliche Anpassung des Abgusses an die Farbe des Knochens. Bild 4
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Bild 5
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4. Arbeitsschritt bei der Restaurierung:
Zusammenbau des Skeletts


Inzwischen ist es Mitte April und es sind nur noch zwei Wochen, bis das Skelett wieder in die Heinrichshöhle zurückgebracht wird. Vor zwei Wochen haben wir eine neue Vitrine mit Isolier-Verglasung in der Höhle aufgestellt und diese mit einer modernen Halogenbeleuchtung versehen. Eine Heizung haben wir ebenfalls angeschlossen, damit die Luftfeuchtigkeit reduziert und das Skelett trocken gehalten werden kann - der einzig wirkungsvolle Schutz gegen Pilzbefall an den Knochen und Korrosion an den Metallteilen der Vitrine.

Bild 6
Hier klicken für eine 800x526-Vergrößerung Inzwischen sind alle Knochen mit Kunstharz getränkt, alle Abgüsse fertiggestellt und alle Teile farblich an die echten Knochen angepasst.

Bild: Schädel, Unterkiefer und Schulterblatt sind fertig.

Um den Bären wieder zusammenbauen zu können, wurde ein Gestell aus Edelstahl gefertigt, das dem Skelett Halt geben und die Knochen in Form bringen wird. Der Zusammenbau beginnt mit der Wirbelsäule.

Bild: Zunächst wird der Hüftknochen auf eine lange Stange gesteckt, die entsprechend der Rückenkrümmung eines Höhlenbären gebogen ist.
Bild 7
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Bild 8
Hier klicken für eine 392x600-Vergrößerung Nach und nach werden dann die einzelnen Wirbel auf die Stange gesteckt und bis zum Hüftknochen durchgeschoben.

Dabei muß darauf geachtet werden, daß die Wirbelknochen richtig herum gedreht und, vor allen Dingen, in der richtigen Reihenfolge aufgesteckt werden - sonst passt es nicht und sieht sehr merkwürdig aus.
Wenn der erste Halswirbel an der richtigen Stelle sitzt, ist die Wirbelsäule vollständig und der Schädel wird auf die Stange geschoben. Das Ende der Stange ist leicht nach links gebogen, so daß das Skelett den Kopf in Richtung der Besucher wendet und man mehr Details sieht.

Bild: Die Wirbelsäule fertig zusammengebaut.
Bild 9
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Bild 10
Hier klicken für eine 800x532-Vergrößerung Die Bein- und Fußknochen werden an anatomisch vorgebogenen Edelstahlstangen mit Draht oder Metallschellen fixiert und können hinterher mit der Stange, auf der die Wirbelsäule steckt, verbunden werden.

Bild: Die Beine liegen schon für den Zusammenbau bereit.

Bild: Die aus Kunstharz nachgebildeten Fußknochen werden angebohrt und mit Stiften zusammengesteckt. Einige Knochen sind bereits koloriert.

Zuletzt montiert man dann die Schulterblätter und das Brustbein...
Bild 11
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...und dann - nach dreieinhalb Monaten und einigen hundert Arbeitsstunden - ist er wieder komplett... unser Höhlenbär. Besonders beeindruckend war die Arbeit der Geologischen Präparatoren. Mit unendlicher Geduld, viel handwerklichem Geschick und künstlerischem Können haben sie aus einem alten, gammeligen, mit dickem Lack zugekleisterten und zerfallenen Gipsabgüssen ergänzten, von rostigen Stangen zusammengehaltenen, verpilzten, klapprigen Skelett eine optische Augenweide geschaffen -irgendwie kaum zu glauben, dass der neue Bär noch der alte ist. Aber es ist wirklich so!!!


 



 

5. Arbeitsschritt:
Aufstellung des Skelettes in der Heinrichshöhle


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Hier klicken für eine 800x524-Vergrößerung Das bereits vormontierte Skelett ist mit Gurtbändern auf der Lkw-Ladefläche sicher und fest verzurrt zur Heinrichshöhle gelangt.

Zum Transport wurde der Kopf des Höhlenbären zunächst abgenommen, da dieser durch sein Eigengewicht in der Halterung möglicherweise Schaden erlitten hätte. Die einzelnen Rippenbögen wurden mit einer Transportsicherung versehen, um sie in ihrer vorgesehen Position während der Fahrt zu fixieren. Bild 13
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Hier klicken für eine 800x524-Vergrößerung Selbst die Bandscheiben unseres betagten Bären wurden in liebevoller Kleinarbeit wiederhergestellt.

Endlich in der Vitrine angekommen, wird die oben erwähnte Transportsicherung der Rippen entfernt und der Kopf montiert. Das Brustbein - im lebenden Bären ist es durch Knorpel mit Rippenteilen verbunden - wird lose an seine ursprüngliche Position gehängt. Bild 15
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Bild 16
Hier klicken für eine 800x532-Vergrößerung Und da ist er nun: In voller (ehemaliger) Lebensgröße steht er in unserer neuen Vitrine mit Stabheizung, damit es ihm immer schön warm ist.
Die dringend notwendige Restaurierung ist vollendet. Nun kann er den nächsten Jahren ruhig und gelassen, und manch einem Besucher "Auge in Auge" entgegensehen...